Komplementärmedizin: Bundesrat lehnt die Volksinitiative "Ja zur Komplementärmedizin" ab

Bern, 30.08.2006 - Der Bundesrat hat die Botschaft zur Volksinitiative „Ja zur Komplementärmedizin“ verabschiedet. Er lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab, weil die Forderung nach einer umfassenden Berücksichtigung der Komplementärmedizin in allen Bereichen des Gesundheitswesens zu weit geht und nicht gerechtfertigt ist. Sie würde für die Krankenversicherung sowie für Bund und Kantone eine nicht vertretbare Kostensteigerung nach sich ziehen. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass eine angemessene Berücksichtigung der Komplementärmedizin bereits unter den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen möglich ist.

Die Initiative verlangt die Gewährleistung des freien Zugangs zur Komplementärmedizin (Therapiewahlfreiheit) für Patientinnen und Patienten sowie der legalen Ausübung der Komplementärmedizin (Therapiefreiheit) für ärztliche und nicht-ärztliche Fachpersonen. Zudem verlangt sie die umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin durch den Bund und die Kantone in der Aus- und Weiterbildung, in der Lehre und Forschung, im Heilmittelbereich und in der Sozialversicherung.

Diese Forderungen gehen dem Bundesrat zu weit. Eine umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin wäre nur möglich, wenn von der Erfüllung der Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (WZW-Kriterien) als Bedingung für die Integration komplementärmedizinischer Methoden in das staatlich geregelte Gesundheitssystem abgesehen würde. Dies aber würde zu einer ungerechtfertigten Privilegierung der Komplementärmedizin gegenüber der wissenschaftlichen Medizin führen.

Komplementärmedizin wird bereits heute angemessen berücksichtigt
Bereits heute besteht ein breites komplementärmedizinisches Angebot. Über 3´000 Ärzte und Ärztinnen sowie rund 20´000 nicht ärztliche Therapeuten und Therapeutinnen bieten insgesamt über 200 komplementärmedizinische Methoden an. Über 25´000 komplementärmedizinische Arzneimittel werden zudem von Swissmedic ab Oktober 2006 zu erleichterten Bedingungen zugelassen. Die ganze Bevölkerung hat über die obligatorische Kranken¬pflege¬versicherung Zugang zu den Leistungen der ärztlichen Akupunktur und einer Serie von komplementärmedizinischen Arzneimitteln. Schätzungs¬weise 70 Prozent der Versicherten verfügen über eine Zusatzversicherung für Komplementärmedizin. Die freie Ausübung komplementärmedizinischer Berufe ist gewährleistet. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung bestehen ebenfalls gewisse komplementärmedizinische Angebote, die unter den geltenden Rahmenbedingungen weiter ausgebaut werden können. Damit sind zahlreiche Forderungen und Ziele der Initiative erfüllt.

Umfassende Berücksichtigung führt zu Kostensteigerung
Eine umfassende Berücksichtigung der Komplementärmedizin in den verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens hätte weit reichende Konsequenzen. Die WZW-Kriterien müssten gelockert oder gar preisgegeben werden, was zu unterschiedlichen Massstäben für die Bewertung der verschiedenen Methoden der wissenschaftlichen Medizin und der Komplementärmedizin führen würde. Für die obligatorische Krankenversicherung würde das bedeuten, dass die ärztlichen Behandlungsmethoden Homöopathie, Neuraltherapie, Phytotherapie, anthroposophische Medizin und traditio¬nelle chinesische Medizin wieder in den Leistungskatalog aufgenommen werden müssten. Darüber hinaus müssten aber auch andere Behandlungsmethoden und wohl auch Behandlungen durch nicht ärztliche Therapeuten und Therapeutinnen als kassenpflichtig anerkannt werden, was grosse Kosten- bzw. Prämiensteigerungen zur Folge hätte. Es müsste aber auch ein umfassendes ambulantes und stationäres komplementärmedizinisches Angebot aufgebaut werden. Ebenso müssten komplementärmedizinische Inhalte in der Aus- und Weiterbildung sowie in der Forschung integriert werden. Dies würde nicht nur die Krankenversicherung, sondern auch die Haushalte der öffentlichen Hand stark belasten. Für den Bundesrat sind die bei Annahme der Initiative zu erwartenden Kostenfolgen nicht vertretbar.


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