Der Bundesrat will bei der Anwendung von Notrecht mehr Transparenz schaffen

Bern, 19.06.2024 - Die Anwendung von Notrecht in Krisenzeiten soll nach dem Willen des Bundesrats transparenter werden. In einem Postulatsbericht, den er an seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 verabschiedet hat, schlägt er mehrere Massnahmen vor. So soll die Anwendung von Notrecht künftig gegenüber der Öffentlichkeit im Detail rechtlich begründet werden. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) wird bis Ende 2025 entsprechende Instrumente erstellen.

Der Rückgriff auf Notrecht ist notwendig, wenn das ordentliche Recht in akuten Krisensituationen keine geeigneten Handlungsinstrumente zur Verfügung stellt. Es handelt sich dabei um Verordnungen und Verfügungen, die der Bundesrat gestützt auf die Bundesverfassung (Art. 184 und 185 BV) erlässt. Zu dieser Massnahme darf der Bundesrat nur dann greifen, wenn die Wahrung der Interessen des Landes dies erfordert, wenn er eine schwere Störung der öffentlichen Ordnung abwenden muss oder wenn er die innere oder äussere Sicherheit nicht anders gewährleisten kann.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Bundesrat aufgrund von unvorhersehbaren Krisen wiederholt Notrecht erlassen. Namentlich handelt es sich dabei um die Rekapitalisierung der UBS (2008), die Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Epidemie (2020), den Axpo-Rettungsschirm (2022) sowie die behördlich unterstützte Übernahme der CS durch die UBS im letzten Jahr. Daraufhin hat das Parlament den Bundesrat beauftragt (Postulate 23.3438 und 20.3440), die rechtlichen Grundlagen und Grenzen des Notrechts aufzuzeigen und den Anpassungsbedarf zu prüfen.

In Krisensituationen muss der Bundesrat Verantwortung übernehmen

Mit der Kompetenz der Regierung zum Erlass von Notrecht wird die Handlungsfähigkeit der Schweiz in Krisenzeiten gewahrt. Dies ist für die Sicherheit und das Wohlergehen der Bevölkerung entscheidend. Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Exekutive, in unmittelbaren und unvorhersehbaren Krisen Verantwortung zu übernehmen und zu handeln. Der Bundesrat würde seine staatlichen Schutzpflichten verletzen, wenn er untätig bliebe, obwohl fundamentale Rechtsgüter wie die Gesundheit und die Versorgung der Bevölkerung sowie das Eigentum der Bürgerinnen und Bürger auf dem Spiel stehen.

In seinem Bericht anerkennt der Bundesrat die Herausforderungen des Notrechts für den Rechtsstaat, die Demokratie, den Föderalismus und die Menschenrechte. Namentlich verschieben sich bei der Anwendung von Notrecht die Machtverhältnisse: zum einen von den Kantonen zum Bund, zum anderen vom Parlament zum Bundesrat. Aufgrund dieser Machtverschiebung zugunsten der Regierung hat der Bundesrat eine erhöhte Begründungs- und Rechtfertigungspflicht. Bei der Erfüllung seiner Informationspflichten wird er deshalb dem besonderen Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit in Krisenzeiten besser Rechnung tragen. Konkret will er die Anwendung von Notrecht gegenüber der Öffentlichkeit künftig aktiver kommunizieren und die Verordnungen des Bundesrats einfacher zugänglich machen.

Stärkung der präventiven Rechtskontrolle durch das Bundesamt für Justiz

In der Schweiz obliegt dem Bundesamt für Justiz (BJ) die vorgängige Prüfung der Verfassungsmässigkeit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Gesetzgebung. Dies gilt auch für notrechtliche Erlasse. Deshalb will der Bundesrat die präventive Rechtskontrolle durch das BJ beim Erlass von Notverordnungen stärken. Hierzu soll das BJ mehrere Instrumente erarbeiten. Namentlich soll ein Prüfschema die zuständigen Departemente sowohl bei der Formulierung als auch bei der rechtlichen Begründung der Notverordnung unterstützen.

Krisenfestigkeit der Gesetzgebung verbessern

Weiter will der Bundesrat die Erfahrungen aus den vergangenen Krisen nutzen und das Krisenmanagement des Bundes weiterentwickeln. Dazu gehört auch, so gut wie möglich allfällige Notlagen zu antizipieren und auf eine krisenfeste Gesetzgebung hinzuwirken. Namentlich sollen neue Leitlinien die Bundesverwaltung bei der Vorbereitung von spezialgesetzlichen Bestimmungen zur Krisenbewältigung unterstützen.

An seiner Sitzung vom 19. Juni 2024 hat der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, die entsprechenden Unterlagen bis Ende 2025 zu erarbeiten.


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Carl Jauslin, Bundesamt für Justiz, T +41 58 465 42 58, carl.jauslin@bj.admin.ch



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