Graubünden 200 Jahre in der Eidgenossenschaft

Berne, 10.05.2003 - Les paroles prononcées font foi

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Stimà signur president da la regenza
Excellenzas
Stimads envidads
Charas Grischunas i chars Grischuns

Duatschient onns èn ina vegliadetgna respectabla. 200 Jahre sind ein respektables Alter. Und vor dieser Zeit der Zugehörigkeit zur Schweiz noch 300 Jahre eines zugewandten Verhältnisses: Grund genug, um inne zu halten und zu feiern. Sie tun das hier in diesen geschichtsträchtigen Gebäuden unter dem Motto "Berge und Köpfe, teste e montagne, chaus e muntognas".

Mir kommt das Privileg zu, Ihnen die Botschaft aus dem Unterland zu überbringen. Der Bundesrat entbietet dem grössten Kanton des Landes seine Glückwünsche und seine besten Empfehlungen.

Graubünden sei ein "armes, bedeutungsloses Bergland", schrieben radikale Zeitungen in der Restaurationszeit des 19. Jahrhunderts. Immerhin: Graubünden war auch ein selbständiger Freistaat mit einem grossen Weinkeller im Süden. Seine Bewohner bezahlten keine Steuern.

Der Kanton war schon immer wegen seiner strategischen Bedeutung und seiner Pässe im Auge grosser Mächte. Die anderen Orte - und da schliesse ich meinen zweiten Bürgerortskanton St. Gallen mit ein - besassen weder eine solche autonome und direktdemokratische Tradition, noch das Veltlin.

Der Preis für den Eintritt in die Eidgenossenschaft war deshalb ein etwas anderer. Aber erlauben Sie mir die Einschätzung: Der Eintritt war den Preis wohl wert - auch wenn Sie einen Teil Ihres Weines jetzt aus dem Ausland importieren müssen, und dies zu gleichen Zolltarifen wie der Rest der Schweiz.

Graubünden hat von der Schweiz profitiert, denn viele Probleme liessen sich im Verbund viel besser oder überhaupt erst lösen - ich denke an den Verkehr, den Handel oder die Wahrung der Sicherheit. Zahlreiche Veränderungen brachten offensichtliche, einleutende Vorteile: Eine einheitliche Währung, die Abschaffung der Binnenzölle oder die gemeinsame Armee. Andere Anpassungen waren schwerer verdaulich, führten zu Auseinandersetzungen und verunsichterten die Menschen. Die von Aussen vorgegebenen Regeln konnten - wie wir heute sagen würden - nur noch autonom nachvollzogen werden.

So musste Graubünden seine althergebrachten Kompetenzordnung umschichten und an die Bundesverfassung anpassen - aus einem Bundesstaat mit Gemeindereferendumsdemokratie wurde ein einheitsstaatlicher Kanton. Das Bündner Volk hiess diese änderung erst im vierten Anlauf gut.

Anpassung an die Umstände erfordert häufig Opfer, sichert aber auf längere Frist das wirtschaftliche Auskommen, die Identität - und manchmal sogar das überleben. Immerhin: Viel Althergebrachtes und Bewährtes haben die Bündnerinnen und Bündner bewahrt: Die Gemeinden geniessen immer noch grosse Autonomie, die Kulturen leben einträchtig miteinander, die Landsgemeinde hat sich erhalten. Bloss das mit den Steuern ist etwas anders geworden...

Umgekehrt hat die Schweiz auch von Graubünden profitiert. Ich denke da nicht nur an die Ferienecke und das Mineralwasser, sondern vor allem an die Werte, welche Graubünden dem Rest des Landes vermittelt: Eine eigene Landessprache, eine ausgeprägte direktdemokratische Tradition, das gedeihliche Zusammenleben von Volksgruppen, Sprachen und Konfessionen. Graubünden ist hier ein Vorbild für die restlichen Kantone, aber auch für das Land an sich - und wohl für noch grössere staatenbundliche Gebilde auf diesem Kontinent.

Wie die meisten Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes bin ich des Rätoromanischen nicht mächtig. Es hat mich dennoch gefreut, Sie in dieser Sprache, begrüssen zu dürfen: Sie stellt einen Reichtum Graubündens und der Schweiz dar. Sie ist sichtbares Zeichen, dass sich die Schweiz aus lateinischen und allemanischen Wurzeln zusammensetzt, dass zwei der grossen Traditionen Europas hier auf diesem Flecken Land zusammenkommen.

Das Romanische steht, wie wir alle wissen, unter einem grossen Druck. Dieser war unter anderem dafür verantwortlich, dass sich die Romanisch Sprechenden letzten Endes auf das Gemeinsame besonnen haben - und weniger auf das Trennende: Rumantsch grischun ist die Frucht der Auseinandersetzung mit sich selber, dem Eigenen und dem Fremden. Ich hoffe, dass dies ein Element sein wird, das dieser schönen, traditionsreichen Sprache ihr Weiterleben sichern wird.

Das Deutsche kam auf zwei Arten nach Graubünden: Zum einen durch die Walser, welche von den adligen Herren geholt wurden, um die hochgelegenen, in der Regel brachliegenden Täler zu besiedeln. Zum anderen durch die Fremden, die Durchreisenden und die Gäste aus dem Unterland, welche in Graubünden ein Auskommen suchten oder sich um den Transit kümmerten. Die neue Sprache von aussen ist mit der Zeit heimisch geworden, auch wenn dies nicht ohne Konflikte ablief - und zuweilen immer noch gewisse Spannungen erzeugt.

Graubünden ist ein Beispiel, wie Kulturen sich aneinander reiben: nicht um sich aufzulösen, sondern um in eine gemeinsame Identität zu münden, in der sich die Besonderheiten der Beteiligten wiederfinden.

Cari hospiti, signore e signori,
Non vorrei dimenticare il Grigioni italiano. Non soltanto per la lingua e la bellezza del paesaggio, ma anche per le personalità che le Valli hanno prodotto: penso a quelle pregevoli e sottili figure che sembrano allungarsi continuamente e che hanno trovato il loro posto nei più prestigiosi musei del mondo. Alberto Giacometti è stato il più conosciuto di tutta una serie di importanti artisti provenienti da questa regione, e certamente uno dei grigionesi più famosi in assoluto.

Und weiter nördlich im Kanton? Sehr viele Menschen haben von Heidi gehört. Ich möchte damit nicht sagen, dass das Heidi oder der Geissenpeter oder vielleicht noch der Schellenursli die bekanntesten Deutschbündner sein könnten. Aber es hat mich schon erstaunt, wo es überall Heidiländer gibt, und wofür das tapfere Mädchen schon seinen Namen hat hergeben müssen. Oder ist es vielleicht Jürg Jenatsch, der Pfarrer, Anführer und Umstürzler während der Bündner Wirren, dessen Leben durch Buch und Film manchen vertraut wurde?

Wie dem auch sei: Dieses zähe Bergvolk hat Köpfe hervorgebracht, welche in den verschiedensten Gebieten Bedeutendes geleistet haben, sei es in der Politik, der Wissenschaft, dem Sport oder der Kultur - auch wenn sie dafür oftmals den "Himmel vo Züri" oder sonst einen Ort fern der Heimat suchen mussten.

Und die Berge? Immerhin liegt Graubünden auf durchschnittlich gut 2'100 Meter über dem Meeresspiegel - der zweithöchste Kanton der Schweiz. Der Bündner Stein ist weitherum bekannt - sei es der Bündner Schiefer oder sein hartes Gegenstück, der Granit. Um die berühmten 150 Täler zu umsäumen, braucht es eine stattliche Anzahl Berge. Diese gehören mit zu den schönsten. Sie bilden nicht nur Begrenzung und Wasserscheide, sie sind auch Grundlage für Verdienst und Wohlstand. Und sie geben eine herrliche Kulisse ab, unter anderem für den Sport, wie wir vor einigen Wochen in St. Moritz auf eindrückliche Weise miterleben konnten.

Liebe Gäste, meine Damen und Herrn
Schweizer zu werden, ist nicht immer einfach. Das sage ich jetzt nicht als zuständige Ministerin für das Bürgerrechtsgesetz und die Integration von Ausländerinnen und Ausländern, sondern vor allem mit Blick auf das Zusammenwachsen unseres Landes.

Wenn ich die Geschichte anschaue, dann fallen mir die Kämpfe und die Krisen auf, welche schliesslich dazu beigetragen haben, dass unser Staatswesen so geworden ist, wie wir es heute kennen.

Ende des 18. Jahrhunderts brach eine neue Zeit an: Neue Ideen, neue Techniken, eine neue Ordnung. Die französische Revolution machte es möglich, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen, was den Soldatendienst wesentlich günstiger werden liess. Napoleon war der erste, der sich dies zunutze machte und erst einmal halb Europa eroberte. Dabei hinterliess seine Armee Spuren der Verwüstung in Ihrem Kanton.
Allerdings waren auch seine Gegner nicht zimperlich in der Wahl ihrer Methoden und der Behandlung der Bevölkerung: General Suworow bzw. die russische Armee haben an der Panixerroute noch heute einige Rechnungen offen...

Folge dieser Entwicklung waren grosse Veränderungen: Die alte Ordnung brach wie ein morsches Gebäude zusammen. Die überkommenen Herrschaftsverhältnisse mussten weichen, die Schweiz wurde im Grunde von Aussen neu definiert. Auch die alten Drei Bünde kamen nicht ungeschoren davon. Wobei:
Nach einem ersten Versuch, der sich als untauglich erwies, bewies der grosse Korse immerhin ein gutes Mass an Einfühlungsvermögen und beliess den alten und neuen Eidgenossen einen Grossteil ihrer Eigenheiten.

Nicht alles hat sich sofort reibungslos entwickelt. Und auch heute besteht gelegentlich Anlass zu Diskussionen und politischen Auseinandersetzungen.

Aber die Integration des Kantons Graubünden in die Schweiz zeigt, dass der damals eingeschlagene Weg für alle Beteiligten ein guter war - und dass die auf der "richtigen" und der "falschen" Seite des Rheins stolz darauf sein können.

Auch wir leben in einer Zeit, welche von Unsicherheit geprägt ist, von Veränderung und Umbruch. Unser Umfeld verändert sich, und wir können uns diesen Veränderungen nicht entziehen. Sie betreffen uns, ob wir wollen oder nicht.

Ich glaube, hier können wir von Graubünden lernen: Dass es sich lohnt, sich auf das besinnen, was uns wirklich wichtig ist und auf das, was uns verbindet.

Dass wir Toleranz üben gegenüber dem, was uns fremd ist. Dass wir uns verändern können, ohne unsere eigene Identität zu verlieren. Und dass wir auf unsere Stärken vertrauen dürfen.

In diesem Sinne: Viva la Grischa.


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