Der Bundesrat lehnt eine Finanzierung der AHV durch Finanzmarkttransaktionssteuern ab

Bern, 09.10.2024 - An seiner Sitzung vom 9. Oktober 2024 hat der Bundesrat einen Postulatsbericht zur Finanzierung der AHV durch eine Finanzmarkttransaktionssteuer verabschiedet. Der Bericht hält fest, dass die Schweiz bereits heute zwei Finanztransaktionssteuern kennt und mit diesen höhere Steuererträge erzielt als europäische Vergleichsländer. Er kommt zudem zum Schluss, dass Finanztransaktionssteuern im Vergleich zu anderen Steuern schlechter abschneiden und deren zusätzliches Einnahmenpotenzial beschränkt ist. Aus Sicht des Bundesrats eignen sie sich daher nicht für eine stabile Finanzierung der AHV.

Mit dem Postulat 21.3440 beauftragte der Ständerat den Bundesrat, in einem Bericht aufzuzeigen, wie eine Finanztransaktionssteuer in der Schweiz aufgebaut sein müsste, um die AHV mittel- und langfristig zu finanzieren.

Finanztransaktionssteuern können namentlich auf Wertschriftentransaktionen (Emission und Handel von Wertschriften), auf Kredit- und Einlagetransaktionen im Zinsdifferenzgeschäft der Banken und auf Devisentransaktionen erhoben werden. Die Schweiz kennt mit der Emissions- und der Umsatzabgabe bereits heute zwei Finanztransaktionssteuern; die Erträge der Emissionsabgabe belaufen sich auf durchschnittlich 250 Millionen Franken pro Jahr, jene der Umsatzabgabe auf 1,3 Milliarden Franken. Im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt generiert die Schweiz damit höhere Erträge als Frankreich, Italien und Spanien, die seit 2012 ähnliche Wertschriftentransaktionssteuern eingeführt haben.

Der Bericht evaluiert Finanztransaktionssteuern unter dem Fiskalzweck (Generieren von Einnahmen) und unter dem Lenkungszweck:

  • Finanztransaktionssteuern belasten Vermögensumschichtungen. Im Unterschied zu allgemeinen Steuern auf Einkommen, Konsum oder Vermögen berücksichtigen sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerzahlenden nicht. Sie schneiden daher im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit schlecht ab. Zudem erzeugen sie im Vergleich zu anderen Steuern, die das Vermögenseinkommen oder den Vermögensbesitz belasten, zusätzliche Verzerrungen und können auch die Standortattraktivität beeinträchtigen. Da Finanzmärkte zum Teil geographisch flexibel sind, kann eine Finanztransaktionssteuer bewirken, dass die Erbringung von Finanzdienstleistungen vom Schweizer Finanzplatz ins Ausland verschoben wird. Soweit dies der Fall ist, generiert eine solche Steuer nicht nur keinen Steuerertrag, sondern die Schweiz verliert überdies Wertschöpfung und damit Einnahmen aus anderen Steuern.

  • Insbesondere Wertschriftentransaktionssteuern im Sekundärmarkt (Handel mit Wertschriften) werden auch unter dem Lenkungszweck diskutiert. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob die Steuern die Volatilität der Wertschriftenkurse senken oder erhöhen. Eine niedrigere Volatilität reduziert die Marktunsicherheit und wirkt sich positiv auf die Wertschriftennotierungen aus. Empirische Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass eine Transaktionssteuer die Marktliquidität und die Effizienz der Preisbildung senken sowie die Volatilität und die Kapitalkosten erhöhen. Die Steuer lässt sich daher auch unter dem Lenkungszweck nicht rechtfertigen.

Aufgrund des Postulats-Auftrags legt der Bericht dennoch dar, wie der Bund mit Finanztransaktionssteuern Mehreinnahmen generieren könnte, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes allzu stark beeinträchtigt würde:

  • Im Bereich der Emissionsabgabe bestünden mögliche Massnahmen für zusätzliche Einnahmen theoretisch in einer Anhebung des Steuersatzes, der Reduktion des Freibetrages oder der Wiedereinführung der Emissionsabgabe auf Anleihen und Geldmarktpapieren. Damit würden jedoch die Nachteile der bestehenden Abgabe akzentuiert.

  • Bei der Umsatzabgabe käme am ehesten eine Anhebung des Steuersatzes auf inländische Wertschriften auf das Niveau des Satzes bei ausländischen Wertschriften in Frage, wobei dies unter dem Effizienzziel negative Auswirkungen hätte. Die zusätzlichen Mehreinnahmen schätzt der Bericht zudem auf lediglich 150 bis 200 Millionen Franken.

  • Bei den Banktransaktionen würde am ehesten eine Steuer auf Neuhypotheken substanziellere und stabile Mehreinnahmen generieren, da sie weniger Ausweichreaktionen auslöst als andere Formen einer Banktransaktionssteuer. Diese würde aber die Hypotheken verteuern.

  • Bei einer unilateralen Einführung einer Steuer auf Devisentransaktionen würde bei weiterhin voller Konvertibilität des Schweizer Frankens der Devisenhandel ins Ausland abwandern. Sie fällt als Finanzierungsquelle daher ausser Betracht.

Gestützt auf diese Analyse empfiehlt der Bundesrat, weder die bereits bestehenden Emissions- und Umsatzabgaben für die Finanzierung der AHV heranzuziehen, noch neue Finanztransaktionssteuern zu erheben. Seiner Ansicht nach bestätigt der Bericht, dass das zusätzliche Einnahmenpotenzial aus Finanztransaktionssteuern in der Schweiz beschränkt ist und keine stabile Quelle für die mittel- bis langfristige Finanzierung der AHV darstellt. Zudem stehen allfälligen Mehrerträgen teilweise erhebliche Wettbewerbsnachteile oder Verteuerungen im Hypothekarmarkt entgegen.


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