Wie sich der Bund für einen zukunftsfähigen Güterverkehr einsetzt

Bern, 27.08.2024 - Rede von Bundesrat Albert Rösti, Generalversammlung Verband der verladenden Wirtschaft

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Präsident,

geschätzte Damen und Herren

Ich freue mich, heute bei Ihnen an Ihrer Generalversammlung zu sein und mich anschliessend mit Ihnen austauschen zu können.

Der Schienengüterverkehr ist für 40 Prozent der gesamten Gütertransportleistung verantwortlich und somit für unsere Wirtschaft und Gesellschaft zentral: Dank ihm sind die Regale im Supermarkt jeden Tag voll, gelangen Rohstoffe wie Kies, Holz oder Zuckerrüben zur Weiterverarbeitung in die Industrie und Päckli oder Abfälle können umweltfreundlich durch die Schweiz transportiert werden. Wie Sie wissen, ist der Schienengüterverkehr in einer schwierigen Lage, vor allem der Einzelwagenladungsverkehr. Der Bundesrat hat deshalb Anfang Jahr eine Botschaft ans Parlament verabschiedet, um die Rahmenbedingungen für den Schienengüterverkehr weiterzuentwickeln.

Es freut mich, dass ich heute

  • zu einem so wichtigen Zeitpunkt 
  • zu einer so wichtigen Vorlage
  • zu einem so wichtigen Verband

sprechen darf.

Die Verkehrskommission des Ständerats hat unsere Vorlage zur Revision des Gütertransportgesetzes letzte Woche fertig beraten. Es ist erfreulich: Abgesehen von ein paar kleineren Änderungen empfiehlt die Kommission unsere Vorlage zur Annahme! Allerdings war der Fall nicht von Anfang an so klar. Wir mussten die Vorlage und ihren grossen Nutzen für den Schienengüterverkehr und die Logistik im Allgemeinen nochmals vertieft erklären.

Auch im weiteren parlamentarischen Prozess ist Überzeugungsarbeit gefragt und notwendig. Ihr Verband und Sie als Einzelpersonen spielen dabei eine zentrale Rolle: Danke für Ihr Engagement und auch dafür, dass Sie die Bündelung der Meinungen in Ihrer Branche gut wahrgenommen haben. Danke, dass Sie sich auch im parlamentarischen Prozess geeint und überzeugend für die Vorlage einsetzen. So kommt die Vorlage am Schluss ans Ziel!

Gerne gehe ich auf ein paar Punkte aus der Vorlage ein, die für die Diskussion besonders wichtig sind:

Der Einzelwagenladungsverkehr soll nach einer Übergangsfrist von acht bis zwölf Jahren wieder profitabel erbracht werden können. Hierfür braucht es das Zusammenspiel verschiedener Massnahmen:

Der Bund schliesst mit der oder den Anbietern des Einzelwagenladungs-Netzwerks eine Leistungsvereinbarung ab und fördert sie während der Übergangsphase finanziell.

Der Bund beteiligt sich mit der Übernahme von etwa einem Drittel der Kosten an der Umrüstung zur Digitalen Automatischen Kupplung. Diese ermöglicht erheblich effizientere Prozesse. In der Nahzustellung bringt sie eine Produktivitätssteigerung von etwa 45 Prozent! Sie ist damit das Schlüsselelement, um den Einzelwagenladungsverkehr effizienter und auf mittlere bis längere Frist wieder eigenwirtschaftlich zu machen. Ich komme später nochmals darauf zurück. 

Für den Verlad von Gütern auf die Schiene sowie den Güterumschlag zwischen der Schiene und anderen Verkehrsträgern will der Bund neu Pauschalen ausrichten. Das erhöht die Zahlungsbereitschaft der Kunden des Bahngüterverkehrs. Im Einzelwagenladungsverkehr eröffnet dies die Möglichkeit, durch eine verbesserte Kundenorientierung und eine gezielte Produkt- und Preisdifferenzierung neue, attraktive Transporte und Logistiklösungen anzubieten.

Ein weiteres Thema ist die Grösse des Bediennetzes, also die Anzahl der Formations- und Annahmebahnhöfe, Freiverlade und Umschlagsanlagen des kombinierten Verkehrs. Die meisten Anlagen werden durch die Infrastrukturbetreiber, also Bahnunternehmen, bereitgestellt. Mit den Leistungsvereinbarungen, die der Bund mit ihnen abschliesst, sind diese Anlagen und deren Leistungsfähigkeit weiterhin sichergestellt. SBB Cargo hat erste Überlegungen zur zukünftigen Bedienstruktur des Einzelwagenladungsverkehrs unternommen. Die konkrete Grösse dieses Netzes ist aber noch offen. Sie wird nach den parlamentarischen Beschlüssen im Dialog zwischen SBB Cargo, BAV und den Verladern festgelegt werden.

Ich habe es schon einige Male gesagt und wiederhole es gerne an dieser Stelle: Die Revision des Gütertransportgesetzes ist keine SBB-Cargo-Sanierungsvorlage. Sie ist betreiberunabhängig ausgestaltet. Es sind alle Branchenakteure aufgefordert zu prüfen, welchen Beitrag sie an den Erfolg des Einzelwagenladungsverkehrs leisten wollen. Subventioniert werden sollen Leistungen, nicht Unternehmen. Die Fördermittel sind für die Modernisierung des Angebots sowie die Eigenwirtschaftlichkeit einzusetzen. Weiter sollen Dumpingangebote zulasten bestehender Schienengüterverkehrsangebote von Konkurrenten verhindert werden.

Ein wichtiges Thema ist, wie erwähnt, die Digitale Automatische Kupplung, die DAK. Ich möchte dem VAP an dieser Stelle danken für sein Engagement in unserer Projektorganisation zur Einführung der DAK. Es ist sehr wichtig, dass der VAP seine Arbeit mit uns weiterführt und insbesondere mithilft, die Einführung der DAK schweizintern zu koordinieren.

Weil der Schienengüterverkehr keine Grenzen kennt, kann sich die DAK nur durchsetzen, wenn sie auch international abgestimmt ist. Ich engagiere mich deshalb stark auf europäischer Ebene dafür. Mit meinen Ministerkollegen aus Deutschland und Österreich habe ich im Frühling ein gemeinsames Papier unterzeichnet und am International Transport Forum in Leipzig der Öffentlichkeit präsentiert. Ich weiss, dass die Einführung der DAK vor allem in den osteuropäischen Ländern noch auf Skepsis stösst. Die Industrie ist gefordert, eine einfache, bezahlbare technische Lösung zur Serienreife zu bringen. Und die EU muss Mittel und Wege finden, um die Migration zur DAK auch in den weniger reichen Ländern zu ermöglichen. Ich bin überzeugt: Das wird gelingen. Die DAK wird den Schienengüterverkehr nachhaltig verändern.

Immer wieder zu reden geben auch die finanziellen Auswirkungen der Vorlage und die Koordination mit der Vorlage zur Weiterentwicklung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). Da der Einzelwagenladungsverkehr befristet mit LSVA-Einnahmen gefördert werden soll, stehen vorübergehend etwas weniger Mittel im BIF für den Bahn-Ausbau bereit. Das ist soweit korrekt. Der Betrag hält sich aber in Grenzen. Und es scheint uns gerechtfertigt, das Geld von dort zu nehmen. Dadurch bleiben die Einnahmen aus dem Strassengüterverkehr im Segment des Güterverkehrs und helfen, diesen zu stärken. Mit der LSVA-Vorlage arbeiten wir intensiv daran, die Einnahmen zu sichern. Damit stellen wir auch eine der Hauptquellen des BIF sicher. Zukünftig sollen auch Lastwagen mit Elektroantrieb, die es immer häufiger geben wird der LSVA unterstellt werden. Gleichzeitig sorgen Begleitmassnahmen dafür, dass die Elektrifizierung des Lastwagenverkehrs nicht verhindert wird.

Schliesslich müssen wir bei der Diskussion über die Schienengüter-Vorlage auch darüber reden, was passiert, wenn die Vorlage abgelehnt wird und wir nichts tun. 

Als heutiger Betreiber des Einzelwagenladungsverkehrs wäre SBB Cargo gezwungen, dieses Angebot in schnellen Schritten einzustellen. SBB Cargo würde voraussichtlich nur noch Ganzzüge für ausgewählte Kunden mit den nötigen Transportvolumen fahren. Es gäbe kein Netzwerkangebot mehr.

Es müssten rund 400 000 Wagenladungen pro Jahr – das entspricht ca. 650 000 Lastwagenfahrten – neu organisiert werden. Dies bedeutet einen hohen logistischen Organisationsaufwand und eine Verlagerung auf die Strasse. Es gäbe auch keine spezifischen Angebote im Nachtsprung mehr. Die Sicherstellung dieser Angebote wäre nur durch kundeneigene Bahnleistungen möglich. Zahlreiche Industriezweige wären betroffen, und es würde auch bei vielen privaten Anschlussgleisen und Güterverkehrsanlagen ein Abbau nötig. Es würden so nur noch ca. 120 von heute ca. 600 Anschlussgleisen benötigt, was zu einem finanziellen Schaden bei den Verladern führt. Der Einsatz für die Vorlage lohnt sich deshalb für Sie!

Ich komme nun noch kurz auf ein anderes Thema zu sprechen:

Anfang nächste Woche kann der vollständige Betrieb durch den Gotthard-Basistunnel endlich wieder aufgenommen werden. Die Schäden waren immens, und mein grosser Dank gilt all jenen, die geholfen haben, den Tunnel wieder instand zu stellen.

Mit der vollständigen Wiederinbetriebnahme ist allerdings dieses Thema noch nicht abgeschlossen. Der Schlussbericht der Unabhängigen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUST) zum Unfall liegt noch nicht vor. Auf europäischer Ebene wurden Massnahmen erarbeitet, um das Risiko für Radbrüche, wie sie beim Gotthard-Unfall passierten, weiter zu reduzieren. Diese Massnahmen müssen nun engagiert umgesetzt werden. Auch eine Anpassung des Haftpflichtrechts im Schienengüterverkehr steht weiterhin im Raum. Auch wenn diese Massnahmen die Verlader und Wagenhalter etwas kosten werden, so bin ich doch im Grundsatz davon überzeugt, dass sie kommen müssen.

Nur ein sicherer Schienengüterverkehr ist nachhaltig und zukunftsfähig!


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