200 Jahre Schweizerischer Schiesssportverband

Bern, 18.08.2024 - Rede von Bundesrat Albert Rösti, 200-Jahr-Jubiläumsfest Schweizerischer Schiesssportverband

(Es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schützinnen und Schützen,

Vorab freut es mich sehr, Ihnen zum eindrücklichen olympischen Erfolg gratulieren zu dürfen! Passend zu diesem Jubiläum haben die Schweizer Spitzenschützinnen den Schiesssport buchstäblich aufs Podest gestellt.

Herzlich gratuliere ich Chiara Leone zu ihrer Goldmedaille im Kleinkaliber-Dreistellungskampf und Audrey Gogniat zu ihrer Bronzemedaille im 10-Meter-Wettbewerb mit dem Luftgewehr in Paris. Ebenfalls herzlich gratuliere ich Nina Christen zur Goldmedaille im Kleinkaliber-Dreistellungskampf und zur Bronzemedaille im 10-Meter-Wettbewerb mit dem Luftgewehr in Tokio. Unsere Athletinnen haben wirklich Grossartiges geleistet!

Hinter solchen Erfolgsgeschichten steht ja immer unermüdliche und harte Arbeit. Zuerst natürlich durch die Sportler selbst, aber dann auch durch das Umfeld, das die Athleten aufbaut, trägt und prägt.

Meine Gratulation geht darum auch an den Verband, der durch seine konsequente und umsichtige Aufbauarbeit über Jahre vielversprechende Talente trainiert und damit die Grundlage für solche Erfolge legt. Deshalb richte ich mich auch an Sie alle: Ganz herzliche Gratulation zum Erfolg an den olympischen Spielen in Paris und Tokio! Es ist eindrücklich, wie es Ihnen gelingt, den Breitensport und den Spitzensport gleichermassen zu pflegen.

Keine Schweiz ohne Schützen

Fast ist man an die Anfänge der olympischen Spiele zurückerinnert, als jeweils Vertreter des Schützenlandes Schweiz regelmässig sehr gut abschnitten. So zum Beispiel 1900, als die Spiele ebenfalls in Paris ausgetragen wurden und der Ostschweizer Konrad Stäheli mit drei Gold- und einer Bronzemedaille der zweiterfolgreichste Athlet der Wettkämpfe war und zum grossen Star wurde.

Ich erwähne das, weil es deutlich macht, wie wichtig das Schiessen und die Schützen in der Geschichte unseres Landes waren und sind. Das Schiessen war schon immer auch Sport, aber es war bei uns schon immer auch mehr als Sport. In der Schweiz ist das Schiessen ein Teil von Gesellschaft und Staat - und ein Ausdruck unserer Kultur der Freiheit.

Mir ist das wieder bewusst geworden, als ich Ihre Festschrift «Einer für Alle, Alle für Einen» in den Händen hatte, die Sie zum zweihundertjährigen Jubiläum des SSV herausgegeben haben. Mit über 800 Seiten ist das ein wirklich eindrückliches Werk! Und wenn man durch die Seiten blättert und sofort hier und dort ins Lesen gerät, weil es so spannend ist, dann merkt man rasch, wie eng die Schweiz und die Schützen miteinander verbunden sind.[2] Ich glaube, es ist nicht übertrieben zu behaupten: Das eine würde es ohne das andere nicht geben.

Diese Verbundenheit feiert der Bund übrigens, indem er an die Tradition der Schützentaler anknüpft. Die Eidgenössische Münzstätte Swissmint hat zu diesem besonderen Anlass eine Sondermünze aus Gold in limitierter Auflage von 5'000 Stück geprägt. Auf der einen Seite ist eine Schützenscheibe zu sehen, auf der anderen das historische Bild, das die Münze des Schützenfestes von 1842 in Chur schmückte. Diese Münze wird auch hier vor Ort von Mitarbeitern von Swissmint verkauft. 

Ich möchte dieser engen, dieser schicksalshaften Verbindung zwischen der Schweiz und dem Schiessen etwas auf den Grund gehen:

Gemeinsinn und Wehrhaftigkeit: Jahrhundertealte Tradition des Schiessens

Das Schiessen hat in der Schweiz eine lange Tradition. Schützenfeste sind in der Schweiz bereits im Spätmittelalter belegt. Damals noch mit Bogen oder Armbrust, ab dem 15. Jahrhundert dann mit den neu aufkommenden Feuerwaffen.

Die Schützenfeste waren eine Mischung aus sportlichem Wettbewerb und Volksfest. Und immer spielte auch das Militärische hinein; es ging auch um die Förderung und um die Demonstration der Wehrhaftigkeit. Es muss hoch zu und her gegangen sein an diesen Anlässen, aber sie hatten auch immer etwas sehr Ernsthaftes: In unserem Land gab es nie ein stehendes Heer, die Bürger waren selbst für die Verteidigung zuständig; so war das Schiessen auch ein Ausdruck unseres Milizsystems.

Als vor 200 Jahren der SSV gegründet wurde, konnte er also an eine reiche und im Volk breit etablierte Tradition anknüpfen. Das Schiessen war bei uns so beliebt und wichtig, dass es ganz entscheidend den Gemeinsinn fördern konnte, den unser Land in den schwierigen Krisen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so dringend brauchte.

Selbstdisziplin, Verantwortung, Reife

Das Schiessen ist ein Sport mit ganz speziellem Charakter. Die Schützen messen sich in der Handhabung und im Gebrauch einer Waffe. Eine Waffe ist naturgemäss gefährlich.

Mit einer Waffe darf darum nur umgehen, wer jederzeit und unter allen Umständen eine strikte Disziplin an den Tag legen kann. Dazu braucht es ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und persönliche Reife.

Ich meine aber nicht nur die Gefahr von Unfällen. Eine Waffe ist auch Macht, Personen mit Waffen sind staatspolitische Macht.

Darüber hat Jeremias Gotthelf geschrieben, seine Schrift «Eines Schweizers Wort an den Schweizerischen Schützenverein» ist 1842 erschienen. Also nicht einmal ganz 20 Jahre nach Gründung des SSV. Dieses Jahr feiern wir das zweihundertjährige Bestehen. Was er aber damals geschrieben hat, ist im Kern heute unverändert aktuell.

Gotthelfs Gedanken

So schrieb Jeremias Gotthelf unter anderem: «In keinem Lande hätte man harmlos den Gedanken aufgefasst und Wurzel(n) schlagen lassen, das Volk bewaffnet zu versammeln, so viel als ohne Führer und nur in der Ordnung, welche es sich selbsten gab.»

In den meisten Ländern hätte sich die Obrigkeit vor einem Umsturz gefürchtet, vor Rebellion und Anarchie. Wo die Regierung dem Volk misstraut, darf dieses keine Waffen tragen, darf sich dieses nicht selbst organisieren. Gotthelf hat in seiner Schrift an die Schützen ausgedrückt, was unser Land so besonders macht. In kaum einem anderen Staat wäre möglich gewesen, dass sich bewaffnete Bürger landesweit frei in einem Verein versammeln können; in Monarchien - und denken wir daran: vor 200 Jahren waren fast alle Staaten in Europa Monarchien - wäre das undenkbar gewesen, schreibt Gotthelf. 

In der Schweiz ist es anders. In der Schweiz ist das Volk die höchste Instanz, bei uns sind die Bürger der Souverän. Das freiheitliche Waffenrecht ist deshalb ein wichtiger Teil unserer freiheitlichen Ordnung und ein zentrales Element des Sonderfalles Schweiz.

Aber Gotthelf gibt uns auch einen mahnenden Gedanken mit: «In jedem andern Lande wäre ein solcher Verein entweder unterdrückt worden, oder er hätte sich selbst zerstört.»

«... oder er hätte sich selbst zerstört» - Damit weist Gotthelf uns auch darauf hin, dass es einen Gemeinsinn brauche im Volk, damit nicht die Gefahr von Gewalt und Bürgerkrieg droht. Das Volk braucht das, was jeder einzelne Schütze im Umgang mit seiner Waffe braucht: Selbstdisziplin, Verantwortung und Reife. Nur so kann eine freiheitliche Ordnung funktionieren.

Das uns das gelingt, macht die Schweiz zu einem ganz speziellen und auch zu einem speziell grossartigen Land. Und als SSV haben Sie daran seit 200 Jahren einen ganz wesentlichen Anteil. Dafür danke ich Ihnen - und ich wünsche dem Schweizer Schiesssportverband eine erfolgreiche Zukunft!


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