Bundesrat lehnt Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» ab

Bern, 15.05.2024 - Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 15. Mai 2024 seine Position zur Volksinitiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)» festgelegt. Er ist der Ansicht, dass die Initiative kein taugliches Mittel zur Erreichung der Klimaziele der Schweiz ist. Mit der Einführung einer Erbschaftssteuer auf sehr hohe Vermögen und der Zweckbindung zur Finanzierung der Klimapolitik setzt sie falsche Anreize. Sie greift in die föderale Ordnung ein und reduziert die Attraktivität der Schweiz für vermögende Personen, die u.a. über die progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern einen bedeutenden Beitrag an die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand leisten. Der Bundesrat will dem Parlament daher empfehlen, die Initiative ohne direkten Gegenentwurf oder indirekten Gegenvorschlag abzulehnen.

Die Volksinitiative der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten Schweiz (JUSO) fordert eine Besteuerung von 50 Prozent auf Nachlässen und Schenkungen über 50 Millionen Franken. Der Ertrag soll zu zwei Dritteln an den Bund und zu einem Drittel an die Kantone gehen und zweckgebunden für die «sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise» und den «dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft» verwendet werden. Gemäss Initiativkomitee soll damit die Finanzierung der Klimapolitik auf die ein Prozent vermögendsten Personen verlagert werden. Die Initiative verlangt eine «lückenlose Besteuerung» und sieht folglich keine Ausnahmen vor. Sie fordert zudem gesetzliche Bestimmungen zur Verhinderung von Steuervermeidung, insbesondere betreffend Wegzug.

Der Bundesrat lehnt die Initiative aus mehreren Gründen ab:

Bund und Kantone setzen bereits heute eine aktive und in jahrelangen politischen Aushandlungsprozessen demokratisch legitimierte Klimapolitik um. Mit dem Klima- und Innovationsgesetz erhielten sie am 18. Juni 2023 insbesondere den Auftrag der Stimmbevölkerung, bis 2050 die Treibhausgas-Emissionen auf Netto-Null zu senken. Auch über die Energiepolitik wird die Dekarbonisierung der Schweiz vorangetrieben. Ein zentrales Anliegen der Initiative ist somit bereits erfüllt. Die heutige Klima- und Energiepolitik setzt dabei auf Massnahmen, die namentlich auch die Bereiche mit den meisten Treibhausgas-Emissionen (Verkehr, Immobilien und Industrie) in die Pflicht nehmen. Die Initiative beinhaltet hingegen keine Lenkungseffekte; sie würde auch bei den vermögendsten Personen keinen Anreiz zu klimafreundlicherem Verhalten setzen, weil diese die Steuer so oder so schulden würden.

Zugleich setzt die Initiative falsche Anreize für die Mittelverwendung. Die mit der Einführung der vorgeschlagenen Erbschafts- und Schenkungssteuer erhobenen Mittel müssten von Bund und Kantonen zweckgebunden für die Klimapolitik ausgegeben werden. Für die Höhe der Ausgaben wären folglich nicht die effektiven klimapolitischen Bedürfnisse massgebend, sondern der Umfang der mit der Erbschaftssteuer generierten Mittel. Dies birgt das Risiko ineffizienter und nicht bedarfsgerechter Ausgaben in sich und kann zu hohen Mitnahmeeffekten führen. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Bund und Kantone bereits heute jährlich rund 2,5 Milliarden Franken in den Klimaschutz- und Energiebereich investieren. Das theoretische Ertragspotenzial der von der Initiative geforderten neuen Steuer liegt im einstelligen Milliardenbereich, eine genauere Schätzung soll gestützt auf eine Umfrage bei den Kantonen erfolgen.

Einbusse an Attraktivität und Eingriff in die kantonale Finanzautonomie 

Allerdings würde die von der Initiative geforderte Erbschafts- und Schenkungssteuer die Schweiz als Wohnsitzstaat für Personen mit grossen Vermögen weniger attraktiv machen. Heute wird das Vermögen dieser Personen in Kantonen und Gemeinden bereits mit einer meist progressiv ausgestalteten Vermögenssteuer belastet, die jährlich rund 9 Milliarden Franken einbringt; von den OECD-Staaten kennen nur zwei weitere Staaten eine Vermögenssteuer. Es ist daher damit zu rechnen, dass ein Teil der potenziell betroffenen Personen – trotz allfälliger Gegenmassnahmen – aus der Schweiz wegziehen könnte oder sich in der Zukunft zumindest nicht mehr in der Schweiz ansiedeln würde. Dadurch dürften nicht nur die von der Initiative erhofften Steuereinnahmen tiefer ausfallen, sondern bspw. auch die Einnahmen aus den ebenfalls progressiv ausgestalteten Einkommenssteuern von Bund, Kantonen und Gemeinde. Zwei Drittel der direkten Bundessteuer werden heute von den rund 5 Prozent einkommensstärksten Steuerpflichtigen generiert. Bei der Vermögenssteuer stammen schätzungsweise über 44 Prozent der Erträge von den 1 Prozent vermögendsten Personen.

Wenn von der neuen Steuer betroffenes Vermögen in Unternehmen gebunden ist, besteht ausserdem die Gefahr, dass das Unternehmen (resp. die Anteile daran) ganz oder teilweise verkauft werden müsste, um die Erbschaftssteuer zu zahlen. Damit wäre die Kontinuität in der Unternehmensführung und die Nachfolgeplanung gefährdet, zumal die Initiative keine Ausnahme für bestimmte Vermögenswerte vorsieht. Eine anderweitige Auslegung würde verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Würde man eine steuerliche Privilegierung von Unternehmensvermögen dennoch zulassen, reduziert sich wiederum das Aufkommenspotential der Steuer.

Eine Umsetzung der Volksinitiative brächte schliesslich einen erheblichen Eingriff in die föderalistische Ordnung der Schweiz und insbesondere in die Finanzautonomie der Kantone mit sich. Erbschafts- und Schenkungssteuern sind bisher kantonale Steuern. Die Initiative hält zwar explizit fest, dass die kantonale Kompetenz zur Erhebung einer Erbschaftssteuer erhalten bleiben soll. Eine Erbschaftssteuer auf Bundesebene würde allerdings die Frage aufwerfen, wie gross der verbleibende Spielraum für die Kantone bei Vermögenswerten über 50 Millionen Franken wäre. Sie würden zwar mit einem Drittel an den Einnahmen der nationalen Erbschaftssteuer partizipieren, ihre Kompetenz bei der Verwendung des Kantonsanteils würde durch die Zweckbindung hingegen beschränkt.

Bei einer Ablehnung der Initiative können der Bund und die Kantone die Klimapolitik zielgerichtet und gemäss den bisherigen Grundsätzen weiterentwickeln. Das von Volk und Ständen gutgeheissene Klima- und Innovationsgesetz setzt dafür den Rahmen.

Der Bundesrat empfiehlt die Ablehnung der Initiative, ohne ihr einen direkten Gegen¬entwurf oder indirekten Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Er hat das Eidgenössische Finanzdepartement mit der Ausarbeitung der Botschaft zuhanden des Parlaments beauftragt.


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