Bundesrat beschliesst Reformen der Krankenversicherung im Rahmen der laufenden 2. KVG-Teilrevision
Medienmitteilung
21. August 2002
Bundesrat beschliesst Reformen der Krankenversicherung im Rahmen der
laufenden 2. KVG-Teilrevision
Der Bundesrat hat eine Aussprache geführt über Vorschläge des EDI für
verschiedene mittelfristige Reformen der Krankenversicherung, deren
Ausarbeitung er anlässlich seiner Klausursitzung im Mai dieses Jahres in
Auftrag gegeben hatte. Er hat beschlossen, zwei Massnahmen in die laufende
2. KVG-Teilrevision einfliessen zu lassen: Die Einführung einer
obligatorischen, standardisierten Versichertenkarte und ein System zur
verstärkten und gezielten Prämienentlastung der Haushalte mit Kindern.
Ferner hat er sich vom EDI über die bereits umgesetzten kurzfristigen
Reformschritte und die weiteren Arbeiten in Folge der Zulassungsbeschränkung
für selbständige Leistungserbringer informieren lassen. Er hat das Projekt
und die Projektorganisation des EDI zur Vorbereitung der 3. Teilrevision
genehmigt, wo es um eine vertiefte Prüfung einer modifizierten
Kostenbeteiligung, einer monistischen Spitalfinanzierung, der Verstärkung
von Managed Care und derAufhebung des Kontrahierungszwanges geht.
An seiner Klausur vom 22. Mai 2002 über die soziale Krankenversicherung hat
der Bundesrat kurz-, mittel- und längerfristige Reformschritte beschlossen.
Im Rahmen einer Aussprache hat das EDI nun den Bundesrat über den Stand der
bereits vollzogenen und der vorbereiteten Massnahmen informiert und
verschiedene Vorschläge unterbreitet.
Kurzfristige Reformschritte
Der Bundesrat hat von der Umsetzung der kurzfristigen Reformschritte durch
das EDI Kenntnis genommen. Per 1. Juli 2002 wurden zur besseren Steuerung
der Leistungsmengen und der Angemessenheit zusätzliche medizinische
Leistungen bezeichnet, welche im Rahmen der sozialen Krankenversicherung
nur noch mit vorgängiger Zustimmung des Vertrauensarztes der Krankenkasse
vergütet werden (z.B. gewisse chirurgische Eingriffe zur Behandlung der
Epilepsie, Protonen-Strahlentherapie). Gleiches gilt per 1. Januar 2003
für einzelne zur Behandlung notwendige Mittel und Gegenstände
(Insulinpumpen, Langzeitsauerstofftherapie). Die Überprüfung, welche
Leistungen, Mittel- und Gegenstände künftig sinnvollerweise der
vorgängigen Zustimmung des Vertrauensarztes bedürfen, wird fortgeführt.
Zudem wurde das Projekt Angemessenheit initiiert, mit welchem ein
diagnosebezogenes Instrumentarium für praktizierende ÄrztInnen geschaffen
werden soll, um effektiv nötige, wirksame und geeignete Interventionen im
Sinne einer effizienten Behandlungssteuerung ("Disease Management") nutzen
zu können.
Das EDI hat den Bundesrat auch über die weiteren Arbeiten in Folge der
Zulassungsbeschränkung für selbständige Leistungserbringer ins Bild gesetzt.
Die Kantone sind zur Zeit daran, den am 4. Juli in Kraft getretenen
Zulassungsstopp umzusetzen. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) wird
in den nächsten Wochen bei den Kantonen erheben, wie sie diese Massnahme
umsetzen. Es hat sich gezeigt, dass die von den Kantonen beabsichtigte
Abgleichung der Richtzahlen im Anhang zur Verordnung mehr Zeit beansprucht
als vorgesehen. BSV und EDI werden daher auf Wunsch der
Sanitätsdirektoren-Konferenz eine allfällige Änderung dieser Zahlen nicht
sofort in die Wege leiten, um den Kantonen Zeit zu lassen, die notwendigen
Grundlagen zu erarbeiten.
Mittelfristige Reformschritte
Zu den vorgesehenen mittelfristigen Reformschritten hat das EDI dem
Bundesrat konkrete Vorschläge unterbreitet. Der Bundesrat hat das EDI
beauftragt, entsprechende Vorlagen über die Sozial- und
Gesundheitskommission des Nationalrates noch in die laufende 2. Teilrevision
des KVG einzubringen. Die Vorschläge betreffen die Einführung einer
Versichertenkarte und Massnahmen zur gezielten Prämienentlastung der
Familien.
Einführung einer Versichertenkarte
Es wird vorgeschlagen, dem Bundesrat im KVG die Kompetenz zur Einführung
einer Versichertenkarte zu geben. Der Bundesrat soll dabei nur den Rahmen
und die Standards vorgeben, während die Umsetzung gemeinsame Aufgabe der
Partner im Gesundheitswesen sein soll. In einer ersten Etappe geht es um die
Einführung einer Versichertenkarte zur Vereinfachung der administrativen
Beziehungen zwischen Versicherten, Leistungserbringern und Versicherern.
Dies verspricht eine gewisse Rationalisierung der administrativen Abläufe,
eine bessere Information der Versicherten und andere Vereinfachungen. Der
Zeitplan sieht vor, die Krankenversicherer auf den 1. Januar 2004 zu
verpflichten, die standardisierte Versichertenkarte abzugeben, so dass die
Karte ab 2005 oder 2006 umfassend eingesetzt werden kann.
In einer zweiten Etappe könnte dieses Kartensystem zu einer echten
Gesundheitskarte hinführen. Diese hätte die Funktion eines elektronischen
Schlüssels, der den Patientinnen und Patienten, den Leistungserbringern und
den Versicherern den Zugang zu bestimmten Gesundheits- und Behandlungsdaten
ermöglicht. Dies dürfte die Behandlungsqualität erhöhen und könnte auch
positive Effekte auf die Kosten haben, u.a. weil Mehrfachuntersuchungen
vermieden werden könnten. Dabei wäre allerdings dem Schutz sensibler
persönlicher Daten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Entlastung von Haushalten mit Kindern
Im Auftrag des Bundesrates haben das BSV, die Eidg. Finanzverwaltung, die
Eidg. Steuerverwaltung und die Konferenzen der kantonalen Finanz- und
Sanitätsdirektoren in einer Arbeitsgruppe Modelle zur gezielten
Prämienentlastung von Familien mit Kindern erarbeitet. Dabei galt es
explizit, Modelle mit "Giesskannencharakter" auszuschliessen.
Der Bundesrat schlägt nun vor, im Rahmen der 2. KVG-Teilrevision die
Prämienverbilligung neu zu gestalten. Im neuen System sehen die Kantone für
Familien mit Kindern und für die übrigen Versicherten je mindestens vier
Einkommenskategorien vor. In Abhängigkeit vom bundessteuerpflichtigen
Reineinkommen - korrigiert um einen Vermögensfaktor von 10% des nach
kantonalem Recht steuerbaren Vermögens - tragen die Versicherten in der
Regel einen Anteil der Krankenversicherungsprämien selber (Eigenanteil).
Die Kantone können aber die Krankenversicherungsprämien auch
vollumfänglich verbilligen.
Der maximale Eigenanteil wird bei allen Anspruchsberechtigten nach dem
bundessteuerpflichtigen Reineinkommen abgestuft. Die Kantone sehen für
Familien mit Kindern tiefere Limiten für den Eigenanteil vor: Familien mit
Kindern im untersten Einkommenssegment tragen einen maximalen
Eigenanteil von 2% des bundessteuerpflichtigen Reineinkommens, im
obersten anspruchsberechtigten Einkommenssegment von 10%. Für die übrigen
Anspruchsberechtigten sehen die Kantone maximale Eigenanteile von
höchstens 4% für das unterste Einkommenssegment und von höchstens 12%
für das oberste Einkommenssegment vor.
Der Gesetzesvorschlag sieht im Hinblick auf eine gesamtschweizerische
Vereinheitlichung des Prämienverbilligungsanspruchs neu eine
Bundeskompetenz zur Festlegung der für den Anspruch massgebenden
kantonalen Referenzprämie vor. Die Reform ist mit dem im Finanzausgleich
vorgeschlagenen kantonal unterschiedlichen "Selbstbehalt" kompatibel; alle
anspruchsberechtigten Familien mit Kindern werden bis zu einer
Einkommensgrenze nach einheitlichen Grundsätzen entlastet; den
unterschiedlichen kantonalen Prämienniveaus wird Rechnung getragen; die
Ausgaben jener Kantone werden entlastet, die bisher stets die gesamte Prämie
verbilligt haben; der Vollzug der Prämienverbilligung bleibt in der
Zuständigkeit der Kantone.
3. KVG-Teilrevision: Vorbereitung längerfristiger Reformschritte
Der Bundesrat hat das Projekt zur vertieften Prüfung der längerfristigen
Reformschritte und die entsprechende Projektorganisation genehmigt: In vier
Teilprojekten sollen Modelle und die für die Umsetzung notwendigen
Grundlagen für eine modifizierte Kostenbeteiligung, für eine monistische
Spitalfinanzierung, zur Verbreitung von Managed Care und zur Aufhebung des
Kontrahierungszwangs geprüft und erarbeitet werden. Die
Teilprojektgruppen, in welchen VertreterInnen der betroffenen
Fachverbände und verschiedener Bundesämter mitarbeiten, werden von externen
FachexpertInnen des schweizerischen Gesundheitswesens geleitet. Ein
Schlussbericht soll dem Bundesrat Mitte Juni 2003 vorgelegt werden.
EIDG. DEPARTEMENT DES INNERN
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Fritz Britt, Vizedirektor
Chef Bereich Krankheit und Unfall
Bundesamt für Sozialversicherung
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