Das Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen
Das Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen
Ein wirksames Instrument zur Umsetzung der Umweltgesetze
Das Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen wird mit grosser
Zurückhaltung und mit Bedacht eingesetzt. Es ist ein wirksames Instrument
zur Verbesserung des Vollzugs der Umweltschutzgesetzgebung. Dies ist das
Ergebnis einer Evaluation, welche von drei Experten der Universität Genf
im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL)
durchgeführt wurde. Nach Ansicht der Autoren wären Alternativlösungen
kostspieliger. An der kritisierten überlangen Dauer der Verfahren würden
sie nichts ändern. Verbesserungen sind aber möglich.
Das Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen steht regelmässig im
Kreuzfeuer der Kritik. Zur Zeit ist es durch eine parlamentarische
Initiative in Frage gestellt, welche seine Aufhebung verlangt. Damit in
der öffentlichen Debatte auf gesicherte wissenschaftliche Daten
zurückgegriffen werden kann, hat das BUWAL die Experten Morand, Tanquerel
und Flückiger der Universität Genf mit der Evaluation dieses Rechts
beauftragt. Die heute der Presse vorgestellte Studie umfasst einen
theoretischen Überblick, eine Beschreibung und Beurteilung der Wirkungen
dieses Rechts, eine Darstellung von theoretisch möglichen
Alternativlösungen sowie Verbesserungsvorschläge.
Ein begrenztes Recht
Das Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen wurde seit 1966
schrittweise im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz, im
Umweltschutzgesetz und im Bundesgesetz über Fuss- und Wanderwege
eingeführt. Es ist in zweifacher Hinsicht begrenzt. Das Beschwerderecht
steht ausschliesslich den gesamtschweizerischen Um-welt-schutz
-organisationen, welche seit mindestens zehn Jahren bestehen, offen. Zudem
kommt das Recht nur in klar definierten Bereichen zur Anwendung: Bei
Projekten, die der Umweltverträglichkeitsprüfung unterstehen und für
Projekte, die eine Bundesaufgabe darstellen. Damit ist ein bedeutender
Teil der Projekte, die sich nachteilig auf die Umwelt auswirken könnten,
dem Beschwerderecht entzogen. Im Übrigen zeigt der Vergleich mit den
Nachbarländern, den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, dass
die Schweiz in diesem Bereich keine Spitzenposition mehr einnimmt.
Ein massvoll und gut eingesetztes Recht
Die von den Autoren erhobenen Statistiken zeigen, dass die Umwelt-schutz
-organi-sationen ihr Recht äusserst massvoll einsetzen. Zwischen 1996 und
1998 hat das Bundesgericht durchschnittlich 13
Verwaltungsgerichtsbeschwerden von Umwelt-schutz-organisationen beurteilt,
dies bei einem Total von durchschnittlich 992 Beschwerden pro Jahr (dies
entspricht einem Anteil von 1,4%). Das Verhältnis bei Beschwerden an den
Bundesrat und die kantonalen Verwaltungsgerichte ist praktisch gleich. Die
Erfolgsquote der Beschwerden der Umweltschutzorganisationen liegt deutlich
über dem Durchschnitt. Sie ist mithin dreieinhalbmal höher sowohl bei den
vom Bundesgericht beurteilten Beschwerden (63% Erfolgsquote gegenüber
durch-schnittlich 18,4%) als auch bei den vom Bundesrat beurteilten
Beschwerden (33% Erfolgsquote gegenüber durchschnittlich 8,9%).
Die Autoren gelangen zum Schluss, dass die These von der generell
missbräuchlichen Handhabung des Beschwerderechts der
Umweltschutzorganisationen unbegründet ist.
Ein wirksames und kostengünstiges Instrument
Zahlreiche Interviews mit allen betroffenen Parteien und rund zehn
Fallstudien zeigen, dass das Beschwerderecht der
Umweltschutzorganisationen im Verlauf der Jahre positive Auswirkungen
hatte. Es begünstigt den Konsens, ermutigt die Integration der
Umweltschutzorganisationen in den Entscheidungsprozess und fördert einen
frühzeitigen Dialog mit den Investoren. Für die Autoren der Evaluation
stellt dieses Beschwerderecht denn auch ein effizientes Instrument für die
Verbesserung des Vollzugs des Umweltrechts dar. Es ist eine
nichtstaatliche Lösung, welche stärker auf Kompromisse als auf
Konfrontation setzt, was guteidgenössischem Geist entspricht. Und dies
wahrscheinlich zu tieferen Kosten als irgendeine andere Kontroll-lösung.
Ungerechtfertigte Kritik - tatsächliche Probleme
Nach Meinung der Autoren betrifft ein Teil der Kritik, die in den
Interviews geäussert wurde, weniger das Beschwerderecht, als die
Anforderungen des Umweltrechts selber. Die Gegner halten die gesetzlichen
Anforderungen für zu streng. Sie bekämpfen aber nicht die Gesetze, sondern
das Beschwerderecht, welches dadurch zum Sündenbock wird. Das
Beschwerderecht der Umweltschutzorganisationen ist aber nicht Schuld an
den Verzögerungen der Gerichtsverfahren, die auf die Überlastung der
Gerichte zurückzuführen sind. Es kann auch nicht für die materiellen
Anforderungen des Umweltrechts verantwortlich gemacht werden. Unbestritten
ist, dass Bauherren und Investoren mit Problemen konfrontiert sind, wenn
sich die Verfahren ohne ersichtlichen Grund verlängern.
Verbesserungen möglich
Um das Problem der Verfahrensdauer anzugehen, empfehlen die Autoren in
erster Linie, dass die Projektverantwortlichen und die Behörden das Recht
von Projektbeginn an besser respektieren. Die Schaffung einer
Verhandlungscharta könnte die Beziehungen zwischen den verschiedenen
betroffenen Parteien ebenfalls verbessern. Zudem könnten die formellen
Einspracheverfahren durch einfachere und weniger strittige
Einwendungsverfahren ersetzt werden.
Bern, 3. März 2000
BUNDESAMT FÜR UMWELT, WALD UND LANDSCHAFT
Informationsdienst
Auskünfte
Thierry Tanquerel, Professor an den Universität Genf, Tel. 022 705 85 29
(ab 14 Uhr)
Alexandre Flückiger, Kursleiter an der Universität Genf, Tel. 079 484 86 80
Dokumentation
Wie wirkt das Beschwerderecht des Umweltorganisationen? Zusammenfassung des
Gutachtens Flückiger, Tanquerel und Morand, BUWAL, Bern, 2000. Bestellnr.
DIV-1903-D. Bestellung : BUWAL, Dokumentation, 3003 Bern, Fax : 031 324 02
16, e-mail : docu@buwal.admin.ch, Internet : http :
www.admin.ch/buwal/publikat/d
Flückiger, Tanquerel und Morand : Evaluation du droit de recours des
organisations de protection de l'environnement, 300 Seiten, nur auf
Französisch, Schriftenreihe Umwelt Nr.0314, BUWAL, Bern, 2000. Bestellnr.
: DIV-1903-F, Preis : 25 Franken. Bestellung : BUWAL, Dokumentation, 3003
Bern, Fax : 031 324 02 16, e-mail : docu@buwal.admin.ch, Internet : http :
www.admin.ch/buwal/publikat/f