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Vorbehalte zu Art. 6 EMRK sollen zurückgezogen werden

Pressemitteilung

Vorbehalte zu Art. 6 EMRK sollen zurückgezogen werden

Der Bundesrat eröffnet eine Vernehmlassung

Der Bundesrat beabsichtigt, die Vorbehalte und Auslegenden Erklärungen
der Schweiz zu Artikel 6 EMRK im Interesse der Rechtssicherheit und
Transparenz unserer Rechtsordnung zurückzuziehen. Er hat am Montag das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ermächtigt, bei Kantonen
und Bundesgerichten ein Vernehmlassungsverfahren zu eröffnen. Der
Rückzug bedarf der Zustimmung der Eidgenössischen Räte.

Bei der Ratifikation der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im
Jahre 1974 hat die Schweiz verschiedene Vorbehalte und Auslegende
Erklärungen abgegeben, mit denen der Anwendungsbereich der
Konventionsgarantien punktuell eingeschränkt wurde. Dazu gehört auch die
Garantie des Art. 6 EMRK, das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.
Hier hatte die Schweiz seinerzeit einen Vorbehalt zur Öffentlichkeit der
Verhandlung und der Urteilsverkündung angebracht; diese Garantien
sollten nicht gelten in Verfahren, die nach kantonalem Recht vor einer
Verwaltungsbehörde stattfinden. Ausserdem bestehen zu diesem Art. 6 EMRK
noch zwei Auslegende Erklärungen: Sie betreffen das Recht auf
gerichtliche Prüfung und die Garantie des unentgeltlichen Beistandes
eines amtlichen Verteidigers und eines Dolmetschers.

Diese Vorbehalte und Auslegenden Erklärungen zu Art. 6 EMRK haben
bereits seit einiger Zeit ihre Daseinsberechtigung verloren, da sie
durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Men-schenrechte und des Schweizerischen Bundesgerichts für ungültig
erklärt worden sind (Vorbehalt zur Öffentlichkeit und Auslegende
Erklärung zur richterlichen Prüfung). Das Bundesgericht hat dieser
Entwicklung Rechnung getragen, indem es kürzlich festgestellt hat,
Artikel 6 EMRK sei heute in der Schweiz ohne Einschränkung anwendbar.

Die übrigen Vorbehalte, welche die Schweiz zum Siebten Zusatzprotokoll
zur EMRK abgegeben hat (betr. Ausweisung von Ausländern und betr.
Gleichheit der Ehegatten), bleiben bestehen.

15. Juni 1998

EIDGENÖSSISCHES
JUSTIZ- UND POLIZEIDEPARTEMENT
Informations- und
Pressedienst

Zusätzliche Informationen: Bundesamt für Justiz, Sektion Menschenrechte
und Europarat, Dr. Frank Schürmann, Tel. 031 322 41 50, Dr. Jürg
Lindenmann, Tel. 031 322 47 90.