Schweizer Wappen

CONFOEDERATIO HELVETICA
Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Homepage
Mail
Suche

Der Bundesrat legt Bericht zum Verhältnis Schweiz-UNO vor

Pressemitteilung				Bern, 1. Juli 1998

Der Bundesrat legt Bericht zum Verhältnis Schweiz-UNO vor

Der Bundesrat hat an seiner heutigen Sitzung den Bericht über das Verhältnis
der Schweiz zur Organisation der Vereinten Nationen (UNO) verabschiedet, der
von Nationalrat Andreas Gross und 84 Mitunterzeichnern in einem Postulat vom
18. Juni 1997 verlangt worden ist.

Der Bericht beschreibt einleitend Ziele und Struktur der UNO und geht den
wichtigsten Etappen ihrer Entwicklung nach. Anschliessend wird aufgezeigt, wie
die Organisation seit dem Ende des Kalten Krieges in der Friedenssicherung
wirkungsvollere Arbeit geleistet, Lösungsansätze für Probleme mittels grosser
Weltkonferenzen gesucht und einen umfassenden internen Reformprozess in Gang
gesetzt hat.

Eingehend wird erläutert, wo und wie die Schweiz im UNO-Rahmen engagiert ist:
namentlich in den Bereichen Sicherheit und Frieden, Menschenrechte, Förderung
der Wohlfahrt und Abbau sozialer Gegensätze sowie Schutz der Umwelt. Damit
wird deutlich, dass die Ziele und Prioritäten der UNO in vieler Hinsicht den
Anliegen der schweizerischen Aussenpolitik entsprechen, wie sie zuletzt 1993
im „Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren“ und im
„Leitbild Nord-Süd“ beschrieben worden sind. Weitere Kapitel befassen sich mit
den institutionellen und wirtschaftlichen Berührungspunkten zwischen der
Schweiz und der UNO (u.a. dem Beobachterstatus, der Sitzstaatpolitik und den
finanziellen Aufwendungen) sowie mit der Frage der Neutralität im UNO-Kontext.

Im letzteren Zusammenhang wird festgehalten, dass angesichts des
schweizerischen Nachvollzuges der UNO-Sanktionenpolitik (seit 1990) und der
heute offiziellen Anerkennung des Neutralitätsstatus durch die UNO eine
Mitgliedschaft mit der Neutralität unverändert zu vereinbaren ist. Weder
bedingt eine UNO-Mitgliedschaft die Aufgabe der Neutralität noch bilden die
Neutralitätspflichten ein Hindernis für diese.

Der Bundesrat hält in einer abschliessenden Wertung fest, dass er die
UNO-Mitgliedschaft, im aussenpolitischen Bericht von 1993 als eines der
strategischen Ziele definiert, zum politisch frühestmöglichen Zeitpunkt
erreichen möchte. Der Bundesrat begrüsst in diesem Sinne die in Aussicht
genommene Lancierung einer Volksinitiative für den UNO-Beitritt und hofft,
dass es zu einer breit abgestützten Diskussion kommen wird. Er betrachtet den
Bericht als Beitrag zu dieser Diskussion und als ersten Schritt im Rahmen der
Beitrittsvorbereitungen.

                                             EIDGENOESSISCHES DEPARTEMENT
                                             FUER AUSWAERTIGE ANGELEGENHEITEN
                                             Information

Der Bericht kann im Internet eingesehen, interaktiv besprochen oder unter
folgender Adresse bestellt werden: EDA, Sektion UNO, 3003 Bern.

Pressedokumentation

Bericht des Bundesrates über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der
Organisation der Vereinten Nationen (UNO), vom 1. Juli 1998.
Kernaussagen
__________________________________________________________________

Einleitung
Der vorliegende Bericht beleuchtet das Verhältnis zwischen der Schweiz und den
Vereinten Nationen. Er zeigt insbesondere neue Entwicklungen seit der ersten
Volksabstimmung über den UNO-Beitritt auf und legt dar, wie stark die
weltpolitische Lage und die UNO sich seither verändert haben.
Der Bericht wurde geschrieben, nachdem Nationalrat Andreas Gross und 84
weitere Parlamentarierinnen und Parlamentarier den Bundesrat dazu aufgefordert
hatten. (S.1 des Berichts)
Die UNO, 1945 als Organisation der Siegermächte gegründet, ist heute eine
wahrhaft globale Organisation: über 99 % der Weltbevölkerung, darunter die
neutralen Staaten, die ehemaligen Kolonien und neu auch die ehemaligen
Teilstaaten der sozialistischen Republiken sind in ihr vertreten. (S. 2/ 3)
Die Vereinten Nationen in der Welt von heute
Die Vereinten Nationen von heute sind eine Organisation, die den Wandel vom
Kalten Krieg in eine Welt der Globalisierung deutlich widerspiegeln. (S.
4-12). Das bedeutet:
· Die UNO spielt in der Friedenssicherung eine aktive Rolle wie nie zuvor. Die
Überwindung der Blockade zwischen Ost und West im Sicherheitsrat hat eine
Vielzahl von Vermittlungsbemühungen (Präventivdiplomatie), Sanktionen und gar
militärischen Aktionen ermöglicht. Dabei hat die UNO ihre Instrumente
angepasst; der Friedensförderung, dem Wiederaufbau nach Konflikten und der
Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen wie der OSZE kommt eine heute
wichtigere Rolle zu. (S. 7-9)
· Als wirklich globale Organisation nimmt sich die UNO den Problemen der
Globalisierung umfassend an: In den Bereichen Wirtschaft (z. B. Kinderarbeit),
Politik (z. B. Minderheitenschutz), Gesellschaft (z. B. Drogenhandel) und
Umwelt (z. B. Stickstoffausstoss) sowie in der Entwicklungspolitik arbeitet
die UNO auf globale Lösungen hin. Wichtiges und sichtbares Instrument waren
die Weltkonferenzen, die für den Einbezug privater Interessengruppen und der
Wirtschaft Massstäbe setzten.(S. 9-11)
· Der neue UNO-Generalsekretär, Kofi Annan, hat die tiefgreifendste Reform der
UNO seit ihrer Gründung in Gang gebracht. Mit weniger Geld und weniger
Personal erbringt die UNO heute zumindest dieselbe Leistung wie früher.
(S.11/12)
Die Schweiz in den Vereinten Nationen
Die aussenpolitischen Ziele der Schweiz sind heute nahezu identisch mit jenen
der Vereinten Nationen. Das belegt der Vergleich der Charta mit dem Bericht
des Bundesrates zur Aussenpolitik in den 90er Jahren. Zum Erreichen
verschiedener Ziele kann sich die Schweiz besser im Rahmen einer Organisation
als alleine einsetzen. (S. 12/13) Dies äussert sich beispielsweise
· in der Friedenspolitik: Seit dem Einmarsch des Irak in Kuwait beteiligt sich
die Schweiz auf autonomer Basis an den UNO-Wirtschaftssanktionen. Sie stellte
der UNO Sanitätseinheiten zur Verfügung in Namibia (1989/90) und der
Westsahara (1991-94), Wahlbeobachter in Südafrika (1994) etc. Schweizer
Vermittler waren und sind für die UNO in Georgien (Botschafter Tagliavini und
Brunner) und der Westsahara (Botschafter Manz) tätig. (S. 14-16)
· in der Menschenrechtspolitik: Die Schweiz ist Vertragspartei der wichtigsten
von der UNO erarbeiteten Menschenrechtskonventionen. Sie stellte und stellt
der UNO Experten zur Überwachung der Umsetzung dieser Menschenrechtsabkommen .
(S. 16-18)
· in der humanitären Hilfe: Innerstaatliche Konflikte sowie der neu
ermöglichte Zugang zu bisher verschlossenen Regionen trugen zu einer
Vergrösserung der Anzahl solcher Krisensituationen bei. Die Schweiz
unterstützt aktiv verschiedene in der Krisenhilfe tätige UNO-Organe. Besonders
setzte sie sich für eine verbesserte Koordination der diesbezüglichen
UNO-Aktivitäten ein. (S. 18-20)
· in der Entwicklungshilfe: Die Schweiz gibt den Entwicklungsorganisationen
der UNO einen hohen Stellenwert und unterstützt diese mit namhaften Beiträgen.
Impulse gehen dabei von der Schweiz aus beim Einbezug der Privatwirtschaft in
die Entwicklungsaktivitäten der UNO. (S. 20/21)
· in der Umweltpolitik: Die Schweiz unterstützt die in der Bekämpfung
grenzüberschreitender Umweltschäden aktiven UNO-Organe. Sie ist Vertragspartei
der wichtigsten im Rahmen der UNO ausgehandelten Umweltabkommen. Besonders
möchte sie zu einer Lastenteilung zwischen den Industriestaaten sowie zwischen
Industrie und Entwicklungsländern im Umweltschutz beitragen. (S. 21-24)
Der Beobachterstatus
Der Bundesrat stellt eine Diskrepanz zwischen dem beschriebenen Engagement und
dem Beobachterstatus der Schweiz, der es unserem Land erschwert, seine
Positionen voll in die UNO einzubringen, fest.
Die Rahmenbedingungen haben sich für die Beobachter in den letzten Jahren
verschlechtert. Von den einst 17 Beobachterstaaten sind nur die Schweiz und
der Vatikan übriggeblieben, von den grossen Befreiungsbewegungen, die auf der
Beobachterbank sassen, nur die PLO, dafür drängen immer mehr internationale
Organisationen in den Status. Die Schweiz muss so immer mehr Energie
aufwenden, um als staatlicher Beobachter angemessen berücksichtigt zu werden.
(S. 24/25)
Die Schweiz als Sitzstaat
Die Schweiz stellt mit dem "internationalen Genf" den wichtigsten europäischen
Sitz der Vereinten Nationen. Rund 30'000 Personen leben in Genf direkt von den
Internationalen Organisationen und dem UNO-System. Jährlich 90'000 Besucher
reisen für Konferenzen nach Genf. Die Internationalen Organisationen kommen
der Genfer Wirtschaft insgesamt mit 2,5 bis 3 Mrd. Franken pro Jahr zu Gute.
Seit dem Ende des Kalten Krieges ist Genf neue Konkurrenz erwachsen. Neue
Zentren bewerben sich als Sitz internationaler Organisationen. Dabei obsiegt
häufig das konkurrenzfähigste Angebot, wobei die Nichtmitgliedschaft der
Schweiz sicher nicht zum Vorteil gereicht. Dennoch konnte die Schweiz 1995
dank ausserordentlicher Anstrengungen den harten Wettbewerb um die WTO
gewinnen. (S. 26/27)
Finanzielle Beiträge der Schweiz an die UNO
Als Beobachter bezahlt die Schweiz 30% ihres bei einer Vollmitgliedschaft
anwendbaren Beitrages an das ordentliche Budget. Das sind derzeit ca 3,8 Mio.
Dollar (ca. 5,5 Mio. sfr.) bei einem auf 1,26 Mrd. Dollar geschrumpften
Gesamtbudget. Von den Pflichtbeiträgen an die Aufwendungen für
friedenserhaltende Aktionen, die in den letzten drei Jahren von 3,5 auf 1,3
Mrd. Dollar zurückgegangen sind, ist die Schweiz entbunden. Die Gesamtsumme
aller Beiträge, die die Schweiz an die UNO-Organe bezahlt (inkl. an die
Spezialorganisationen, bei denen die Schweiz ja Mitglied ist), erreichten 1997
470 Mio. Franken. Damit gehört die Schweiz bereits heute zu den wichtigsten
Beitragszahlern des UNO-Systems. Die zusätzlichen Kosten eines Beitritts
würden sich auf rund 35,7 Mio. Franken belaufen (Basis 1998). Davon gingen ca.
13,2 Mio. an das ordentliche Budget und 22,5 Mio. an die friedenserhaltenden
Operationen der UNO. Es würde damit der Anomalie ein Ende gesetzt, dass sich
einer der bedeutenden Zahler nicht oder nur sehr beschränkt zur Verwendung
seiner Beiträge äussern kann. (S.28-30, 34)

Die Neutralitätsfrage
Entscheidend bleibt für den Bundesrat die Frage, ob unsere dauernde
Neutralität eine Mitgliedschaft in der UNO zuliesse. Seit 1990 hat die Schweiz
die UNO-Sanktionen freiwillig und aus eigenem Antrieb mitgetragen. In seinem
Neutralitätsbericht von 1993 gab der Bundesrat folgende Begründung ab:
· Er kommt unter Abstützung auf die vorherrschende Völkerrechtslehre zum
Schluss, dass eine Teilnahme der Schweiz an Sanktionen der UNO selbst als
Nichtmitglied im Einklang mit der Neutralität stehe, sofern die Sanktionen von
der Staatengemeinschaft weitgehend geschlossen durchgesetzt werden.
· Sanktionen sind kein kriegerischer Akt, sondern bilden ein legitimes Mittel
gegen einen Bruch des Völkerrechts.
· Die Neutralität ist ein Mittel, um die politischen Ziele Unabhängigkeit,
Frieden und Sicherheit zu erreichen. Sie kann daher nicht im Gegensatz stehen
zu Sanktionen, die einzig Frieden und Sicherheit zum Ziel haben
Als UNO-Mitglied müsste die Schweiz
· über ihren Pflichtbeitrag u. U. bewaffnete Einsätze der UNO unterstützen,
die beispielsweise zum Ziel haben, Demokratie wiederherzustellen oder
humanitäre Hilfe zu schützen (Haiti, Somalia, UNPROFOR/Bosnien-Herzegowina).
· die Wirtschaftssanktionen des Sicherheitsrates automatisch und als Pflicht
mitvollziehen.
Die Schweiz müsste sich hingegen nicht
· an rein militärischen Zwangsmassnahmen unter der UNO-Fahne (Beispiel: Korea)
beteiligen. Dasselbe gilt für Einsätze, wo eine „Koalition der Willigen“ zu
militärischen Aktionen unter nationalen Fahnen (Beispiel: Irak) ermächtigt
wird. Diese zwei Arten von Einsätzen wurden finanziell bisher von den direkt
beteiligten Ländern selber getragen.
· zum Stellen von Blauhelmen verpflichten.
Der Bundesrat kommt in der Neutralitätsfrage zum Schluss
· Die UNO-Mitgliedschaft ist mit unserer Neutralität vereinbar. Weder bedingt
eine UNO-Mitgliedschaft die Aufgabe unserer Neutralität noch bilden unsere
Neutralitätspflichten ein Hindernis für diese.
· Ein ständig neutrales Land hat seinen Platz in der UNO. Die Neutralität
geniesst seitens der Organisation und der Mitglieder oppositionslos
Anerkennung und Achtung. (S. 30-33)
Position des Bundesrates
Zum Abschluss des Berichtes stellt der Bundesrat fest, dass die Schweiz
bereits heute die wichtigsten Pflichten eines UNO-Mitglieds übernommen hat,
gleichzeitig aber auf dessen wichtigste Rechte (Stimm- und Wahlrecht in der
UNO-Generalversammlung) verzichtet. Er hält fest, dass er das strategische
Ziel der Mitgliedschaft in der Organisation der Vereinten Nationen zum
politisch frühestmöglichen Zeitpunkt erreichen möchte. Die staatliche
Souveränität der Schweiz bliebe bei einem Beitritt unangetastet, da die UNO
keine supranationale Organisation ist.
Er hat davon Kenntnis genommen, dass im September 1998 eine Volksinitiative
für den UNO-Beitritt lanciert werden soll. Diese strebt das gleiche Ziel an
wie der Bundesrat. Es ist zu hoffen, dass die Volksinitiative zu einer breit
abgestützten Diskussion führt.